„Das Erlernen der Druckbuchstaben in der ersten Klasse war noch einigermaßen möglich, da der Reiz des Neuen groß war. Trotzdem waren die Leistungen in Lesen und Schreiben mit die schlechtesten der Klasse. Wobei die meisten der anderen Kinder kleinere Geschwister waren, die bereits bei den älteren Geschwistern „mitgelernt“ hatten. Die Vorgabe der Schule vor Schulbeginn war, „bringen Sie dem Kind das Alphabet nicht bei“. Ich hatte mich bei meinem Einzelkind dran gehalten.

Es wurde in der ersten Klasse über die Anlauttabelle gearbeitet, jedem Buchstaben des Alphabets ist ein Wort zugeordnet. Relativ bald erfolgte das Schreiben auch von Wörtern mit unbekannten Buchstaben. Auf Rechtschreibung wurde kein Wert gelegt, am Wort auch nicht ohne Bewertung vermerkt = heißt folglich=> richtig.

Als in der zweiten Klasse die Schreibschrift eingeführt wurde, wurden die Leistungen immer „mehr verwirrter“, meine Tochter praktisch hilflos. Der mühsam eingelernte Druckbuchstabe sieht nun völlig anders aus. Flüssige Schreibbewegungen waren nicht möglich. Schreibschrift nur bei Aufgabenstellung angewandt, niemals freiwillig.

Zudem wurde nun auf Rechtschreibung Wert gelegt, die bereits als richtig abgespeicherten Wörter waren nun falsch. Die Verzweiflung war riesengroß.

Mit Sicherheit gibt es Kinder und Eltern, die da durchgehen und das relativ gut wegstecken können. Wir, sprich ich als Mama und meine Tochter, konnten das nicht. Beide zu sensibel und zu leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die Hausaufgaben und das Lernen wurden zur Qual und zur gefühlsmäßigen Zerreißprobe. Als Alleinerziehende war ich auch im Beruf stark eingespannt und die einzige, die den Part „lernen“ übernahm.

8 Jahre lang war ich der Meinung, ein wunderbares und intelligentes Kind zu haben, auch die Außenwelt bestärkte mich darin. Nun konnte dieses Kind nicht mal die Lernaufgaben der zweiten Klasse bestehen. Sie hat sich zwar Stunden um Stunden sich bemüht und wirklich Willen gezeigt, jeden Tag aufs Neue. Trotzdem blieb nichts dauerhaft hängen. Auffällig war, dass es Tage gab, an denen „es super lief“. Mit einer Leichtigkeit schüttelte sie Lösungen und Antworten aus dem Ärmel, sie war ein ganz anderes Kind. An den anderen Tagen, und diese waren leider deutlich in der Überzahl, hatte sie wie ein „Brett vor dem Kopf“, die Lerninhalte des vorigen Tages waren nicht abrufbar.

Nach meinen eigenen Lern Erfahrungen und der gängigen Meinung hatte ich den Eindruck, sie „konzentriere“ sich nicht. Aber alles Zureden konnte sie nicht aus diesem Zustand bringen. Schon gar nicht, und heute nach meinen Erkenntnissen vom Davis Training schäme ich mich etwas dafür, der berühmte Satz:“ Nun konzentrier dich mal!“.

Die Lehrerin ergriff zum Halbjahr der zweiten Klasse die Initiative, als sie merkte, wie deprimiert meine Tochter bei den ersten Noten war. In Deutsch allesamt „die Sechs“, Fehler in der Regel bis zum dreifachen des Klassendurchschnitts. Sie schlug vor, eine Testung auf LRS zu machen. Diese Prozedur wurde vom zuständigen Schulamt vorgenommen. Ergebnis: sehr deutliche Schreibschwäche, an der Grenze zur Legasthenie; auffällige Leseschwäche, die aber auch berücksichtigt werden sollte. Intelligenztest: alle anderen Fähigkeiten Mittelmaß, außer einem Vorsprung im Räumlichen.

Ich beantragte den bekannten Nachteilsausgleich für 2 Jahre. Nach der Besprechung der Ergebnisse in der Schule, fragte ich: „Was soll ich jetzt tun? „ Antwort: „Lernen“. Ich: „Aber wenn doch Lernen im normalen Rahmen keine Ergebnisse bringt, wie soll dann mehr Lernen plötzlich Ergebnisse bringen?“. Schweigen.

Es wurden mir Wörterkarteien empfohlen, Silben Lesebücher und der Kontakt einer Legasthenie Beratungsstelle beim Landratsamt.

Wobei ich drauf hinweisen muss, dass wir das Glück haben, eine tolle Schule zu haben, die mit bodenständigen, engagierten Lehrern und ohne aufgesetzte Bürokratie arbeitet.

Was nur erschöpft war, war „der schulische Weg“. Was tun, wenn ein Kind nicht in der Lage ist, den so toll angebotenen Lernstoff zu verarbeiten?

Nach zwei Wochen der völligen Hilflosigkeit, des beschämten Schweigens und der schlechten Stimmung zuhause, sowie einer erneuten Testung meiner Tochter bei der Beratungsstelle des Landratsamtes (Ergebnis: „Grenze zur Legasthenie“) sprach ich das erste Mal mit jemand über die Diagnose LRS.

Und dabei hatte ich das große Glück, mit dem „für uns richtigen Menschen“ zu sprechen, so dass uns ein weiterer, langer, qualvoller Weg erspart blieb. Dieser engagierte Osteopath empfahl mir das Buch „Legasthenie als Talentsignal“.

Nach dem Lesen dieses Buches war die Überlegung, an einem Davis-Training teilzunehmen recht bald da. Ich selbst hatte mit meiner Tochter versucht, die Probleme mir „b“ und „d“ mittels Knete anzugehen und gemerkt, dass zwar bei meiner Tochter was hängen blieb, aber nicht korrekt. (Ich hatte zur Verdeutlichung jeweils den großen neben den kleinen Buchstaben gelegt, mit dem Effekt, dass meine Tochter nun immer Bb und Dd schrieb… .)

Also musste ein Fachmann her.

Recherchen zum Davis Training im Internet waren nur zum Teil hilfreich für mich. Ich fand Erfahrungsberichte, die Grund zur Hoffnung gaben, aber nur auf offiziellen Davis Seiten zu finden waren.

„Legasthenie Training bei Frau Moeller brachte den Durchbruch“

Über die Davis Seite fand ich den Weg zu Frau Moeller in Gröbenzell, ein erstes Kennenlernen bestätigte die Eignung meiner Tochter für ein Davis Training und gegenseitige Sympathie. Bereits im Juni (4 Monate nach den Testergebnissen der Schule) konnten wir an einem individuellen Davis Einzel-Training teilnehmen.

Dieses Training nun jemand zu erklären, der nicht daran teilgenommen hat, finde ich sehr schwer.

Es wurden einerseits Körper Übungen gelehrt (die bekannten Kooshbälle, die Feineinstellung, Motorikübungen mit verschiedenen Geräten z.B. Pedalo, Energieregler, Körperreise und einiges mehr). Andererseits dann 3 Lesetechniken und in unserem Fall Schwungübungen für die Schreibschrift. Zu guter Letzt wurde das eigene Alphabet geknetet und die ersten Stolperwörter.

Es war insgesamt zwar sehr lernintensiv, aber in kurzweiliger Abfolge und immer wieder durch Spiele aufgelockert. Meine Tochter ging vom ersten Tag an sehr gerne zum Training, sicher auch, weil sie sich dort mit „ihrer Schwäche“ sehr gut angenommen fühlte. Spätnach-mittags war sie jeden Tag rechtschaffen müde.

Für mich als Mama war es sehr wichtig, meine Tochter dabei wieder mal als ein Kind mit Stärken zu erleben, nicht mehr nur noch als Kind mit Schwächen.

Bereits während des Trainings konnten wir Fortschritte beim Schreiben feststellen, plötzlich wurde freiwillig fast nur noch die Schreibschrift verwendet. Die Körperbeherrschung wurde um einiges verbessert. War zu Beginn der Woche das Besteigen des Pedalos schon ein Schritt, der Angst auslöste und sie völlig verkrampft an die Hilfestellung klammern lies, konnte sie am Ende der Woche ohne Hilfe mit dem Pedalo vorwärts und ! rückwärts fahren. Das Lesen ging um einiges flüssiger.

Der Wiederbeginn in der Schule ging recht problemlos, meine Tochter konnte sich meistens auf das Gelernte besinnen. Die interessierte Klassleiterin und ich besprachen bei einem Treffen das im Davis Training gelernte neue Wissen. Vor allem die Möglichkeit, die Buchstaben mittels Knete in die Dreidimensionalität zu bringen, faszinierte sie. Diese Vorgehensweise sei ihnen als Lehrer ans Herz gelegt worden, aber nie als so wichtig erachtet worden.

Beim Klassen Abschied, 5 Wochen nach dem Davis Training, sagte die Klassleiterin, sie wäre völlig platt, wie sehr sich die Leistungen bereits verbessert hätten. Sie hätte das nie für möglich gehalten.

In der Zeit seit dem Training macht meine Tochter nun die Aufgaben laut dem Wochenplan, das heißt jeden Tag Feineinstellung und Kooshball Übungen, 10 min. Leseübungen, Abschreibübungen und insgesamt 4 Knetbilder pro Woche. Per E-Mail sind wir mit Frau Moeller in Kontakt, die die Hausaufgaben kontrolliert und kommentiert.

Mein Fazit, 5 Monate nach der Diagnose LRS:

Es kann auch bei diesem Problem kein Wunder geben, das von heute auf morgen alle Schwierigkeiten löst. Wenn man aber besser versteht, was im Kopf abläuft und darauf einzugehen lernt, kann man mit viel Ausdauer sehr große Fortschritte erzielen. Für uns war das Davis Training dafür sehr richtig. Zur eigenen Meinungsbildung füge ich 2 Beispiele bei, einmal Abschreibübung vor dem Davis Training und dann Abschreibübung 4 Wochen nach dem Davis Training.“